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Die fünf Säulen des Islam
2. Säule: Salât (türk. Namâz) - das
auferlegte Gebet
Es werden verschiedene Gebetstypen unterschieden:
Fard
(türk. Farz) - Pflichtgebet mit eindeutig
gebotenen Teilen
Sunna (türk. Sünnet)
-
zusätzliche von Hz. Muhammad vorgeschlagene Gebete
Nawâfil
(türk. Nafile) und Witr - am Pflichtgebet
hinzugefügte freiwillige "Gott wohlgefällige" Gebete
Du‘a‘
-
persönliche Bittgebete
Dhikr
-
Anrufung der Namen Gottes, Gotteserinnerung
Für Kranke, Altersschwache und Reisende gelten besondere
Erleichterungen und Bestimmungen.
Die fünf Gebetszeiten werden durch den Muezzin
jedesmal durch zwei Gebetsrufe angekündigt:
Adhân
(türk. Ezan) - erster Ruf, der (vom Minarett)
laut in die Umgebung gerufen wird
Iqâma
(türk. Ikamet) - zweiter Ruf, der weniger laut
innerhalb der Moschee gerufen wird
Männer und Frauen begeben sich zum Gebet in sauberer
Kleidung, welche die Körperformen verhüllt. Der Ort der
Anbetung - ob in der Moschee oder daheim - muss
ebenfalls dem Reinheitsgebot entsprechen. Ehe die
Gläubigen aus dem Alltag in die geheiligte Zeit
eintreten, versetzen sie sich in den Stand kultischer
Reinheit, der durch das fassen und stille Sprechen des
Vorsatzes (Nîyya, türk. Niyet) Gültigkeit
erhält. Je nach Grad der Unreinheit unterzieht man sich
der Teilwaschung (Wudû‘, türk. Abdest)
oder Ganzwaschung (Ghusl, türk. Gusül),
deren Abläufe traditionsgemäss genau festgelegt sind.
Die Waschungen sind innerlich Zeichen der Reue, der
inneren Umkehr und Reinheit des Herzens. Bei der
Aufstellung zum Gebet, Schulter an Schulter in mehreren
Reihen, wendet man sich in Richtung der Ka‘ba
(türk. Kible), dem Heiligtum in Mekka (siehe Sure
2,149), und fasst als letzte Vorbedingung den Vorsatz,
welches Pflichtgebet man zu verrichten gedenkt. Mit den
Worten Allahu akbar (Gott ist grösser) tritt man
in den Zustand der Weihe, in welchem man für die Dauer
des Gebetes vor dem Herrscherthron Gottes verharrt. Der
Vorbeter (Imâm) leitet das Gebet. Diese Funktion
wird vom Ältesten bzw. Erfahrensten einer Gruppe
ausgeübt.
Das eigentliche Gebet besteht aus einer Anzahl
vorgeschriebener Einheiten, sogenannter "Verbeugungen" (Rak‘at,
türk. Rekât), die sich aus Bewegungsabläufen und
damit verbundenen LobLobpreisungen und Anrufungen
Allahs, Segenswünschen und Koranstellen in arabischer
Sprache zusammensetzen. Teil jeden Pflichtgebetes ist
die erste Sure des Korans, die Al-Fâtiha. Aus
normativer Sicht ist es nicht gestattet, diese Elemente
und ihre Reihenfolge zu verändern. Im gemeinsamen Gebet
vor Gott sind alle Merkmale der gesellschaftlichen
Stellung, der Nationalität, der Rasse und der Hautfarbe
aufgehoben. Am Ende des Pflichtgebets wünscht man sich
gegenseitig taqabbala Allâh "Möge Gott es
annehmen", denn im Gebet besteht kein Anspruch nach
irgend etwas, selbst nicht im Bittgebet (Du‘a‘).
Das Gebet ist ein Opfer, von dem man hofft, dass es
gnädig angenommen werde.
Die pflichtigen Gebetszeiten und Anzahl "Verbeugungen"
sind
-
Fajr: das Morgengebet, nach Beginn der
Morgendämmerung und vor dem Sonnenaufgang, 2 Rakat
-
Zuhr: das Mittagsgebet, nachdem die Sonne den
Zenit überschritten hat bis zum Zeitpunkt, da der
Schatten der Dinge doppelt so lang ist wie sie selbst, 4
Rakat
-
‘Asr: das Nachmittagsgebet, daran anschliessend
bis kurz vor Sonnenuntergang, 4 Rakat
-
Maghrib: das Abendgebet, nach dem Sonnenuntergang
bis zum Ende der Abenddämmerung, 3 Rakat
-
‘Ishâ‘: das Nachtgebet, vom Einbruch der
Dunkelheit bis zum Beginn der Morgendämmerung, 4 Rakat
Der Koran fordert die Gläubigen in Sure 11,114 auf, an
den Enden von Tag und Nacht sowie zu frühen Zeiten der
Nacht zu beten. Allgemein gelten aber die frühen
Morgenstunden als besonders gesegnet. Die Pflicht des
Einhaltens von fünf bestimmten Gebetszeiten stammt nicht
direkt aus der koranischen Botschaft, sondern ist Teil
der Sunna. Der Prophet soll auch gesagt haben: "Das
beste Gebet ist das kürzeste". Doch das
gesellschaftliche Gebet wird höher eingeschätzt als das
individuelle, denn der Islam ist eine Religion, in der
das Individuum als Teil der Gemeinschaft (Umma)
gesehen wird.
Was bei den Christen der Sonntag ist, ist in der
islamischen Tradition der Freitag. Während der Schöpfung
entriss der Engel Azra‘il der Erde etwas Staub,
und aus diesem Staub erschuf Gott am Freitag den
Menschen Adam. Darum sei der Freitag der beste Tag der
Woche: die Gläubigen versammeln sich an diesem Tag zum
gemeinsamen Mittagsgebet.
Entscheidend ist, dass der Betende die Worte des Korans
benutzt. Gott wird mit Seinen eigenen Worten
angesprochen! Die Erforderlichkeit des Gebets kommt auch
aus dem Hadith zur Geltung "Gott öffnet niemandem den
Mund, um Vergebung zu erbitten, es sei denn, Er wolle
ihm vergeben". Ein anderes Hadith sagt: "Gott
hört die Stimme der Ihn Anflehenden ebenso gerne wie wir
Stimmen der Singvögel im Käfig; deshalb erfüllt Er die
Wünsche nicht sogleich, sondern hält die Gläubigen eine
Weile hin, um ihren süssen Stimmen noch etwas länger zu
lauschen ...". Ein Gebet, das sicher erhört, aber
nicht unbedingt erfüllt wird, ist die Fürbitte für
andere (Du'a'), vorausgesetzt dass sie aufrichtig
und selbstlos ist.
Das wahre Ziel des Gebets ist aber nicht, dass der
Wunsch der Menschen erfüllt wird, sondern vielmehr, dass
der menschliche Wille sich wandelt, um sich so mit dem
göttlichen Willen zu vereinigen; denn dann kann der
göttliche Wille die menschliche Seele durchfluten und
uns so verwandeln, dass man das Geschick, das einem
bestimmt ist, als eigene Wahl annimmt.
(aus einem Gedicht von Iqbal).
Das äussere Gebet ist zugleich ein Echo des ständigen
Gotteserinnerns (Dhikr). Salat und Dhikr sind
wohl die eindrücklichsten und zentralsten Rituale des
Islam, die zusammen dem Paradox, in dem sich der
Gläubige befindet, gerecht werden. Mit Salat besteht
einerseits die Pflicht, sich einem transzendenten Gott
zuzuwenden und sich in diesem Sinne in Richtung der
Kaaba zu verbeugen. Demgegenüber wird der Immanenz
Gottes Beachtung geschenkt, wenn mit Dhikr das
Gotteserinnern geübt wird, ganz im Sinne des
Koranwortes: Wohin ihr euch immer wendet, dort ist
das Angesicht Gottes.
Der Dhikr soll den ganzen Körper und die Seele
durchdringen. Dazu wurden in den verschiedenen
Sufi-Orden Systeme unter Verwendung der 99 Gottesnamen
entwickelt, wobei im End-h des zentralen Gottesnamen
Allâh die grösste Annäherung an Gott gefunden wird.
Der ständige Dhikr "poliert den Herzensspiegel", der vom
Rost weltlicher Gedanken und Beschäftigungen überlagert
ist. Im reinen Spiegel des Herzens wird Gottes Licht
unverzerrt und ungedämpft reflektiert.
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